Formen = sonderbar. Verortung = unklar. Haben wir es mit Strukturen organischer oder anorganischer Herkunft zu tun? Ist diese sich enthüllende fremde Welt stofflich oder geistig? Natur oder Kultur? Gutartig oder feindselig? Eine Antwort bleibt dem Betrachter verwehrt. Er muss sich auf die Dichotomien, die Barbara Weges Zeichnungen aufwerfen, einlassen, das Unbehagen, das sie in ihrer Unbestimmbarkeit erzeugen, sowie ihre seltsam verstörende Schönheit akzeptieren.
Tritt man näher heran, erkennt man staunend, dass in diesen so filigran anmutenden Linien eine fast grausame Detailversessenheit steckt. Eine Obsession, den (auch der Künstlerin?) unbekannten Mikrokosmos mit dem
kalten und genauen Blick eines Naturwissenschaftlers zu erforschen und abzutasten. So erinnern die Zeichnungen fast an ein in Unordnung geratenes, anatomisches Lehrbuch, in dem die uns im Alltag verborgen bleibende Architektur des menschlichen Körpers, der schiefen und geraden Muskeln, der Knochenkanten, der Knorpel und Membrane Wirbel für Wirbel freigelegt wird. Mal glaubt man, einen Arm zu erkennen, der sich ausstreckt, dann wieder zersplitterte Knochen, die sich zu futuristischen Stadtlandschaften auftürmen.
Aber ist diese Stadt Heimat oder Fremde? Das Selbst oder das Andere? Fleisch oder Stein. Hier wird eine Form der möglichen Wirklichkeit entworfen. Ob Knochen, ob Körper, ob Stadt.
Anne Klapperstück